Wort zum Sonntag:

Er hört Ihnen zu

Die Ohren öffnen für all das, was die Welt für uns bereit hält … Oder möchte ich sie lieber verschließen vor dem, was alles auf mich eindringt. Aufmerksam und zugewandt sein oder sich abschotten?

Man sagt mir nach, dass ich ziemlich gut zuhören könne, mein Gegenüber ausreden lasse und meist recht vorsichtig und zurückhaltend auf das Gehörte reagiere. Trotzdem passiert es – natürlich – auch immer wieder, dass meine Reaktion auf das Gehörte nicht den Vorstellungen meines Gegenübers entspricht, ich vielleicht auch Enttäuschung auslöse.

Gut hören zu können, das ist für mich ganz fundamental. Ich bin dankbar für meine Ohren. Ein wichtiges „Werkzeug“ für eine Pfarrerin. Der heutige Sonntag hat den lateinischen Namen Exaudi: Höre! (Psalm 27,7 Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und erhöre mich!)

Was gehört dazu zum Hören?

Selbstverständlich sollte es nicht ein „Zum-einen-Ohr-hinein-und-zum-anderen-Ohr-hinaus“ sein. Ich brauche erst einmal Ruhe, um gut hören zu können. Vielleicht neige ich meinem Gegenüber mein Ohr besonders zu und komme ihm dadurch näher. Hören allein ist schon sehr viel, aber oft sollte dann doch auch ein Tun daraus folgen, eine aktive Reaktion, oft ein Handeln. Ein feines Gehör braucht es oft. Von klein auf mit Musik aufgewachsen habe ich schon früh gelernt, genau hinzuhören, verschiedene Klänge, richtige und falsche Töne, Klangfärbungen, Stimmungen zu unterscheiden. Auch im Zwischenmenschlichen braucht es das. Da wird geklagt, geweint, gefleht, geschrien, geflüstert; da wird mit lebendiger Stimme erzählt, oder die Stimme ist geradezu tot.

Exaudi – Höre, Gott!!!

Flehen, Bitten, Klagen – und das Vertrauen darauf, dass Gott hört, zuhört, seine Ohren dem Beter zuneigt, Partei ergreift für den Armen, Verzweifelten, Weinenden, Elenden, Flehenden.„Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und erhöre mich!“

Dazu gehört auch das Vertrauen darauf, dass Gott das Gebet er-hört, darauf reagiert, der Beter in irgendeiner Form eine Antwort, eine Reaktion erhält. Es geht nicht um einen Automatismus (oben der Groschen eingeworfen, unten das Gewünschte herausgezogen), aber es geht um ein grundlegendes Vertrauen beim Beter: Gott hört, er ist und bleibt zugewandt, nahe, auch dann, wenn man es nicht „objektiv nachweisen“ kann.

Das Buch der Gebete im Ersten Teil der Bibel, das Buch der Psalmen, ist voll von diesen Erfahrungen: von der Gewissheit, dass Gott wirklich hört. Deshalb sind die Psalmgebete der Bibel für mich die wichtigste Alltagslektüre. Seien Sie behütet und mögen Sie jeden Tag von Neuem in Ihrem Leben erfahren, dass Gott der Zugewandte und Hörende ist und bleibt!

Pfarrerin Annegret Pfirsch, Seelsorgerin in der JVA Kempten

„Wort zum Sonntag" in der Allgäuer Zeitung 31. Mai / 1. Juni 2025

 

Sammeln Sie auch Magnete?

An unserer Kühlschranktüre ist kaum noch Platz für Magnete. Wir sammeln sie seit vielen Jahren. Von so vielen Orten hängt da nicht nur ein Bild, nein, auch Erinnerungen kommen jedes Mal auf, wenn ich sie mir ansehe. Manche Magnete stammen auch von Orten, an denen wir nicht selber waren, sondern die uns mitgebracht und geschenkt wurden. Beim Betrachten dieser Magnete denken wir immer an die Freunde, die sie uns überreicht haben.

Aber es gibt viele Orte und Stationen unseres Lebens, von denen dort kein Magnet hängt. Oftmals sind unser Leben und unser Alltag zu hektisch, als dass wir Zeit hätten, an Souvenirs zu denken. Doch sind nicht auch die kleinen Erlebnisse des Alltags erinnerungswürdig? Die Momentchen dazwischen, die Augenblicke im Vorübergehen, die spontanen und ungeplanten Begegnungen? Oder die schwierigen Zeiten, die hinter uns liegen, die uns mit Sicherheit auch geprägt haben?

In Prediger 1 heißt es: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“. Da steht nichts von qualifizierter Zeit und unqualifizierter Zeit. Nichts von erinnerungswürdig und dem Vergessen geweiht. Alle Zeit, so glauben wir Christen, ist uns von Gott geschenkt und zu allen Zeiten sind wir von Gottes Segen umgeben. Dies gilt auch in den Momenten, in denen wir keine Magnete kaufen, um noch lange daran zu denken.

Aber vielleicht sollten wir genau dies tun: Bewusst Erinnerungsstücke schaffen auch für die anderen Zeiten. Es lohnt sich doch sicher, sich auch daran zu erinnern, welche Schwierigkeiten wir gemeistert haben, welche unruhigen Stunden wir überstanden haben, wo wir uns nach dem Streit wieder versöhnt haben. Vielleicht sollten wir Magnete aufhängen weil wir mal wieder - wie so oft - das Haus schön sauber gemacht oder das Baby gewickelt haben, weil das Essen mal wieder so lecker geworden ist oder weil unsere Tränen wieder getrocknet sind. Wäre das nicht auch erwähnens- und erinnerungswürdig?

Ein besonderes Erinnerungsstück ist für mich das Kreuz, das ich meistens an einer Kette um meinen Hals trage. Es ist zwar kein Magnet, aber doch erinnert es mich täglich an die Hauptkraft und -motivation, die mich im Leben antreibt und mich trägt, auch durch schwierige Zeiten: Jesus Christus, die verkörperte Liebe Gottes. Ich weiß gar nicht ob es ihn als Magnet gibt. Aber wenn ich ihn mal in dieser Form finde, dann ist eines sicher: Ich werde ihn kaufen und an unsere Kühlschranktüre hängen.

Pfarrerin Gisela Schludermann, Matthäuskirche Kempten

„Wort zum Sonntag" in der Allgäuer Zeitung 17./18. Mai 2025

 

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Letzte Woche stand ich staunend in meinem Garten: „Was habe ich denn da verpasst?“ fragte ich mich. Etwas Regen- und plötzlich ist alles grün und bunt. „Einzigartig!“, dachte ich voller Bewunderung. Mir kam dabei das Kirchenlied von Paul Gerhardt in den Sinn: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit, an deines Gottes Gaben. Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir, sich ausgeschmücket haben.“

Ich erinnerte mich, wie ich als Kind durch den Garten getanzt bin und das Lied dabei aus vollem Herzen geschmettert habe. Diese pure Lebensfreude hat sich fest in mein Herz eingenistet. Den Frühling liebe ich bis heute. Als Erwachsene weiß ich, dass selbst im grünenden Frühjahr bei uns nicht alles rosig ist. Der Klimawandel, Sorgen um gesellschaftlichen und weltweiten Frieden, persönliche Sorgen belasten die Herzen vieler. Zur Zeit von Paul Gerhardt war die Welt nicht besser. Er durchlebte die Härte des dreißigjährigen Krieges. Gewalt und Zerstörung gehörten zu seinem Alltag. Schwere Schicksalsschläge trafen seine Familie. Nachdem seine Frau ein Kind verloren hatte, dichtete er für sie, die er immer „mein Herz“ nannte, das Lied. Geh aus, mein Herz, und suche Freud.

Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie dazu von lieben Menschen immer wieder ermutig werden. Dass Sie Gottes Fußspuren in der Natur entdecken, der es nach tristen, winterlichen, Zeiten wieder bunt werden lässt in unserem Leben und der Welt.

Dekanin Dorothee Löser

„Wort zum Sonntag" in der Allgäuer Zeitung 3./4. Mai 2025